Es gibt Tiere, bei denen man gesehen hat, dass sie ausschließlich pflanzliche Nahrung zu sich nehmen. Rinder zum Beispiel. Dann wiederum gibt es solche, von denen man weiß, dass sie Beutetiere jagen und fressen. Dazu gehören Wölfe und Hunde, aber auch Katzen.
Ein solches Tier, das andere Tiere erlegt und frisst, zählen die Zoologen zu den Raubtieren, lat.: „Carnivor“. Darunter fallen alle Tiere, die bestimmte anatomische Merkmale aufweisen, z. B. ein „Raubtiergebiss“, und denen man aufgrund dieser Merkmale bestimmte Verhaltensweisen unterstellt. In diesem Fall das Jagen und Töten von Beutetieren. Bereits diese Zuordnung gestaltet sich im Abgleich mit der Realität schwierig. Denn: Nicht alle Raubtiere jagen, schon gar nicht ausschließlich. Manche sind sogar fast reine Vegetarier, dazu zählen einige Bärenarten wie z. B. der Große Panda.
Bereits der zoologische Begriff „Carnivor“ ist also schon nicht für alle Tiere passend, die in dieser Schublade stecken. Aber gerade im Zusammenhang mit unseren Hunden gibt es einen weiteren Stolperstein, der uns im Weg liegt.
Das Problem: „Carnivor heißt wörtlich übersetzt „Fleischfresser“. Welche Nährstoffe die Tiere brauchen, welche Enzymausstattung sie haben und wie ihr Stoffwechsel funktioniert, darüber sagt der Begriff aber wenig aus. Dass ein Hund (auch) jagt, darauf kann man sich sicher einigen. Aber wieviel Fleisch frisst dieser „Carnivor“ Hund eigentlich? Gibt es weitere Hinweise, die uns bei der Beantwortung dieser Frage weiterhelfen? Ja, die gibt es. Dazu müssen wir uns aber den Hund im Speziellen anschauen.
Hunde sind Rudeltiere so wie ihre Vorfahren, die Wölfe. Auch wenn so mancher Jäger etwas anderes behauptet: ein einzelner Hund alleine wird nur in den wenigsten Fällen Jagderfolg haben und ein Tier reißen können. Hinzu kommt, dass sich Landschaften, Beutetiere und damit die Jagdsituationen immer wieder voneinander unterscheiden: mal stöbern sie Jungtiere im Unterholz auf, mal separieren sie ältere oder verletzte Tiere im offenen Feld.
Um unter diesen anspruchsvollen Herausforderungen trotzdem erfolgreich zu sein müssen sie strukturiert und koordiniert vorgehen: Während der eine Teil des Rudels beispielsweise hetzt, lauert ein anderer ausgeruht entlang der Strecke und übernimmt, sobald das gejagte Tier an Ausdauer verliert.
Schafft es jetzt diese zweite Gruppe das Tier zu erlegen, und würde umgehend anfangen, sich die besten Stücke zu sichern und aufzufressen, dann wäre es schnell vorbei mit dem Kooperationswillen der ersten Gruppe. Ein Beutetier – viele Jäger, die alle mehr oder weniger stark am Jagderfolg beteiligt waren. Das funktioniert nur, wenn eine strenge Hierarchie innerhalb des Rudels garantiert, dass alle Tiere das bekommen, was ihnen zusteht und was sie brauchen. So wie bei unseren Hunden eben.
Zuerst fressen die starken, ausdauernden Tiere. So können sie ihre Kräfte regenerieren und maßgeblich zum Jagderfolg beitragen. Das sichert auch das Überleben des ganzen Rudels. Sie fressen die energiereichen und hochwertigen Teile, wertvolle Fette und das Muskelfleisch. Danach kommen die älteren Tiere, schließlich die Welpen. Die verschiedenen Alters- und Leistungsstufen haben so, obwohl es um das selbe Beutetier geht, eine etwas unterschiedliche Rationszusammensetzung. In einer späteren Lektion, wenn es um die Fütterung von Welpen, Senioren usw. geht, wird das noch einmal wichtig werden.
Zum Bild:
Hunde fressen das gesamte Beutetier. Wie bereits erläutert, fressen i. d. R. nicht alle Rudelmitglieder alles. Aber nach und nach werden Muskelfleisch, Organe (z. B. Leber, Herz), Flüssigkeiten (z. B. Blut), Knochen und sonstige Knorpel oder Teile des Haarkleids gefressen, bis alles verwertet ist.
Dieses Verhalten kann man an seinen eigenen Hunden beobachten: Stellt man ihnen einen Teller mit Steak, Bratkartoffeln, Bohnen und Tomatensalat hin, dann fressen sie freilich zuerst das Steak. Aber hören sie danach auf? Nein, dann kommen die Bratkartoffeln dran, dann die Bohnen und ich kenne einige Hunde, die sich sogar über die Tomaten hermachen würden – meiner zum Beispiel.
Manche Dinge sieht man am klarsten, wenn man sie Kontrast zu etwas setzt. Da die Katze, neben Hunden, das beliebteste Haustier der Deutschen ist und weil sie darüber hinaus einige zugespitzte Besonderheiten aufweist, werde ich sie v. a. in diesem Kapitel immer mal wieder zum Vergleich heranziehen, damit wir den Hund besser abgrenzen können.
Katzen sind Einzeljäger. Wenn sie Beute machen, dann brauchen sie auf niemanden warten und nichts aufteilen. Es ist nachvollziehbar, dass sie sich von einem Beutetier nur ausgewählte Anteile herauspicken können: Muskelfleisch und einige wenige Organe, wie Teile der nährstoffreichen Leber und das Herz. So ist es nicht verwunderlich, dass Katzen aller Altersstufen fast einen identischen Nährstoffbedarf haben. Denn: Auch eine alte Katze fängt genug Mäuse. Das Schaubild von eben würde bei ihnen so ausschauen
Wölfe – und darauf beziehe ich mich, wenn ich von der Jagdmethode des Hundes rede – jagen strukturiert und intelligent, und sind doch viel weniger erfolgreich, als man vielleicht denkt. Es gibt verschiedene Einschätzungen, wie oft Wölfe etwas fangen, wenn sie losziehen. Manche Autoren sprechen von einer Erfolgsquote von eins zu vier, andere schätzen, dass sogar jede dritte Jagd erfolgreich ist.
So oder so: In den meisten Fällen liegt am Ende einer Jagd KEIN Beutetier auf der Strecke! Dann sind die Rudelmitglieder müde, noch hungriger als zuvor und haben kein Tier, an dem sie sich sattessen könnten.
Und was glauben Sie, tun diese Tiere, wenn sie an Süßgräsern (den Urpflanzen unserer Getreidesorten), Waldbeeren oder Pilzen vorbeimarschieren? Jeder, der seinen Hund dabei beobachtet hat, wie dieser im Garten vorsichtig die Johannisbeeren vom Strauch pflückt, wird wissen, wovon ich rede. Den Hunden bleibt keine andere Wahl, als sich zu bedienen, wenn nährstoffreiche Pflanzen, Pilze oder was auch immer zu haben sind. Glauben Sie mir nicht kritiklos, sondern trauen Sie Ihren eigenen Beobachtungen. Wäre eine Schale Äpfel vor Ihrem Hund sicher?
Hunde fressen nicht nur Beutetiere. Sie halten sich an alles, was verfügbar und genießbar ist: Sie fressen aber auch Obst, Wurzeln und auch Pilze, wenn sie die Möglichkeit haben, diese zu bekommen. Da ihr Jagderfolg als Rudel erstens nicht allzu groß ist und sie zweitens, wenn denn Beute gemacht wurde, sie diese mit den anderen Rudelmitgliedern teilen müssen, dürfen sie nicht allzu wählerisch sein.
Und die Katze wiederum? Die fängt fast immer etwas, wenn sie sich auf die Lauer legt, oft sogar mehr, als sie braucht. Und geteilt wird auch nicht. Wer würde da nicht anspruchsvoll werden? Und genau das ist sie auch. Bei ihr sähe das Schaubild so aus: