Wenn wir über Alleinfutter und Ergänzungsfutter sprechen, dann reden wir darüber, ob ein Futter alle Nährstoffe enthält, die Ihr Hund braucht. Sind ausreichend Vitamine, Proteine, Fettsäuren und Mineralstoffe enthalten, dann ist es ein Alleinfutter. Alles andere ist Ergänzungsfutter. So weit, so gut.
Jetzt gibt es die Schwierigkeit, dass Alleinfutter in der zuständigen Verordnung unscharf definiert ist. Dort heißt es, dass es bei „ausschließlicher und dauerhafter“ Verwendung den „Bedarf“ eines Hundes „vollständig decken“ muss. Wieviel konkret an einzelnen Nährstoffen enthalten sein muss, damit diese Bedarfsdeckung gegeben ist, dazu gibt es Richtlinien, Studien u. a. Ob ein Futter aber als „Alleinfuttermittel“ deklariert wird oder nicht, legt letztendlich der Futterhersteller selbst fest. Es ist klar, dass man diesen Begriff daher grundsätzlich kritisch hinterfragen sollte.
Aber kann ich denn gar nicht beurteilen, ob das eigene Futter den Bedarf meines Hundes deckt oder nicht? Doch, es gibt ein paar fundierte Aussagen zu Alleinfuttermitteln, die uns zumindest ein bisschen Klarheit geben können. Zum Beispiel sagt der Lehrstuhl für Tierernährung der Uni München an der ich studiert habe – dazu relativ eindeutig: Es gibt im Grunde genommen „kein Alleinfuttermittel ohne Zusatzstoffe“! Derselben Meinung bin ich auch. Aber warum ist das so?
„Wenn in einem Futter keine Zusatzstoffe drin sind, dann kann es kein Alleinfutter sein!“
Fast jeder, der seinen Hund barft, hat davon gehört: Die BARF-Ration sollte im Regelfall durch ein vitaminisiertes Mineralfutter ergänzt werden, da es sonst u. a. zu Schäden am Skelett durch einen fehlerhaften Knochenstoffwechsel kommen kann. Halten wir also fest: Schon das Verfüttern der Rohwaren, in denen noch alle Inhaltsstoffe originär vorhanden sind, kann im Hinblick auf die Nährstoffversorgung schon problematisch sein. Wie gesagt: Jeder BARFer weiß das (oder sollte es wissen dazu mehr in der Lektion zu BARF). Aber warum sollten manche Nährstoffe ergänzt werden? Hat das etwas mit der Qualität der Rohstoffe zu tun?
Ein Beispiel: Früher, vor 100 Jahren und mehr, ernährten sich die Menschen von dem, was im eigenen Garten oder Stall wuchs. Diese Ernährung – ich denke, da sind wir uns einig – war „bio-bio“, also qualitativ über jeden Zweifel erhaben. Ganz gleich, ob da ein Siegel drauf war oder nicht. Aber war da alles gut? Nein, es gab damals auch Mangelkrankheiten, trotz hochwertigster Ernährung.
Ein bekanntes Beispiel ist der „Jodmangel-Kropf“ bekannt. Hierbei wächst die Schilddrüse stark an, um aus dem wenigen Jod, das sie bekommt, noch einigermaßen ihre Hormone produzieren zu können. Der Kropf ist eine ganz klassische ernährungsbedingte Mangelkrankheit und sie hat nichts mit der Rohstoffqualität zu tun.
„Hochwertige Rohstoffe in einem Futter garantieren nicht dafür, dass alle Nährstoffe enthalten sind, die Ihr Hund braucht!“
Woher kommt der Jodmangel eigentlich? Jod ist wasserlöslich. Regen und Wasserläufe lösen das im Boden befindliche Jod mit der Zeit und schwemmen es aus den Bergregionen mit sich in Richtung Meer. In Bayern z. B. (aber auch generell in weiten Teilen Deutschlands und Mitteleuropas) ist daher Jodmangelgebiet. Rohwaren, die hier produziert werden, enthalten i. d. R. wenig Jod. Vielleicht haben Sie sich schon mal gefragt, warum unserem Speisesalz Jod zugesetzt wird? Damit die Bevölkerung flächendeckend versorgt wird. Jodiertes Speisesalz enthält daher nichts anderes als einen Zusatzstoff um einen naturgegebenen Mangel auszugleichen. Und das ist gut so! Und das Jod? Das müsste sich ja dann im Meer sammeln. Ja, genau das tut es. Fische und v. a. Algen enthalten normalerweise sehr viel Jod.
Es gibt noch weitere Beispiele für Nährstoffe, die großen Schwankungen in den Rohstoffen unterworfen sind und die deswegen unter Umständen zugesetzt werden sollten. Selen beispielsweise. Selen kommt maßgeblich in tierischen Geweben vor und hat etwas damit zu tun, wie der Boden ist (nicht WO der Boden ist, sondern WIE er beschaffen ist), auf der das Futter wächst. Auch Calcium wird einem Futter zugesetzt, wenn es ein Alleinfutter sein soll. Hunde haben einen sehr viel höheren Calciumbedarf als Menschen. Calcium, das haben wir in den vorherigen Lektionen gelernt, kommt fast ausschließlich im Knochen vor. Die Knochenfütterung des Hundes ist aber aus verschiedenen Gründen schwierig (z. B. auch technische Gründe bei der Herstellung).
Seit man Katzenfutter (der Ausflug sollte erlaubt sein) Taurin zusetzt, sind bestimmte Herzmuskelerkrankungen quasi verschwunden. Obwohl Herzen, Lebern und auch Muskelfleisch Taurin enthalten, sind die Schwankungen doch so groß und die Gehalte so unzuverlässig unterschiedlich, dass sie nicht ausgereicht haben, den Nährstoff ausreichend bereitzustellen.
Jetzt wissen wir, dass selbst die besten Zutaten nicht unbedingt alle Nährstoffe enthalten, die unsere Hunde brauchen. Erhitzt man diese Zutaten auch noch bei der Futterherstellung, dann werden einige Inhaltsstoffe noch zusätzlich negativ beeinflusst. Und zwar hauptsächlich die Vitamine, wie wir oben gelernt haben. Und dann soll es besser aussehen mit den Nährstoffen? Natürlich nicht!
Aus Erfahrung weiß man, dass bestimmte Vitamine durch die Hitzeeinwirkung verloren gehen bzw. zerstört werden, v. a. die Vitamine A, D, E, aber auch ganz besonders das sehr hitzeempfindliche Thiamin (Vitamin B1). So vorsichtig können Sie nicht kochen, dass dieses in ausreichender Menge erhalten bleibt. Selbst wenn das Herstellungsverfahren geringere Temperaturen mit sich bringt, so gehen erstens dennoch auch Vitamine verloren und zweitens wurden die Rohstoffe möglicherweise in vorherigen Produktionsschritten hohen Temperaturen ausgesetzt (siehe „kaltgepresstes Trockenfutter“). Genau wie beim vorherigen Absatz spielt auch in diesem die Qualität der Rohstoffe wieder nur eine untergeordnete Rolle. Denn: Auch eine Bio-Karotte verliert einen Teil ihrer Vitamine, wenn man sie kocht.
„Hitzeempfindliche Vitamine gehen zum Teil während der Herstellung kommerzieller Futtermittel verloren!“
Ein gutes Futter sollte aus hochwertigen Rohstoffen hergestellt worden sein. So viel Nährstoffe wie möglich sollten originär aus den Zutaten ins Futter gelangen. Nährstoffe, die entweder natürlicherweise großen Schwankungen in den Zutaten unterliegen, die generell sehr gering darin enthalten sind oder die während der Herstellung durch den Hitzeeinfluss verloren gehen, sollten zugesetzt werden. Nur dann ist das Futter als Alleinfutter zu bezeichnen. Alle anderen Futter sind Ergänzungsfutter.
Einige Hersteller (v. a. die, die keine Zusatzstoffe einsetzen wollen oder dürfen) geben den Ratschlag aus, dass man verschiedene Sorten mischen sollte, um Nährstoffschwankungen auszugleichen. Das ist in Bezug auf die Definition „Alleinfutter“ unzulässig, da sich diese Definition auf EIN konkretes Futter bezieht – nicht auf ein Sortiment. Die produktionsbedingten Verluste sind ohnehin auch bei verschiedenen Sorten immer vorhanden und können sich schon von daher nicht ergänzen.